E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Regierungsrat (LU - RRE Nr. 2044)

Zusammenfassung des Urteils RRE Nr. 2044: Regierungsrat

Der Bevormundete steht seit 1990 unter Vormundschaft. Nach einem Wohnsitzwechsel übernahm der Gemeinderat die Vormundschaft und ernannte den Amtsvormund erneut. Der Bevormundete und seine Schwestern erhoben Beschwerde gegen diese Entscheidung und forderten die Einsetzung ihrer Schwestern als Vormundinnen. Es wird diskutiert, ob die Schwestern und die Mutter des Bevormundeten geeignet sind, als Vormundinnen zu agieren. Es wird festgestellt, dass wichtige Gründe gegen die Wahl der Schwestern als Vormundinnen sprechen und dass ein unabhängiger Vormund besser geeignet wäre. Die Beschwerden gegen die Wahl des Amtsvormunds als Vormund werden abgelehnt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 2044

Kanton:LU
Fallnummer:RRE Nr. 2044
Instanz:Regierungsrat
Abteilung:-
Regierungsrat Entscheid RRE Nr. 2044 vom 24.09.1996 (LU)
Datum:24.09.1996
Rechtskraft:Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
Leitsatz/Stichwort:Vormundschaft. Vorschlagsrecht des Betroffenen. Vorrecht der Verwandten bei der Wahl eines Vormunds. Artikel 379, 380, 381 und 388 ZGB. Die Beschwerdebefugnis der als Vormundinnen vorgeschlagenen Schwestern sowie der Mutter ist gegeben, wenn eine Verletzung von Artikel 380 oder Artikel 381 ZGB geltend gemacht wird. Das Vorschlagsrecht des Betroffenen sowie das Vorrecht der Verwandten ist auch bei einer Wiederwahl des Vormunds zu beachten. Das Mündelwohl ist für die Wahl des Vormunds entscheidend.

Schlagwörter: Vormunds; Bevormundete; Schwester; Bevormundeten; Vormundschaft; Schwestern; Person; Mutter; Amtsvorm; Verwandte; Mündel; Entscheid; Verwandten; Sinne; Gemeinderat; Vormundinnen; Vormundes; Interesse; Vormundschaftsbehörde; Hilfe; Verhältnis; Alkohol; Bruder; Akten; Behörde
Rechtsnorm: Art. 370 ZGB ;Art. 379 ZGB ;Art. 380 ZGB ;Art. 381 ZGB ;Art. 384 ZGB ;Art. 388 ZGB ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts RRE Nr. 2044

1. Der Bevormundete steht seit 1990 gemäss Art. 370 ZGB unter Vormundschaft. Nach einem Wohnsitzwechsel übernahm der Gemeinderat E. mit Entscheid vom 25. April 1996 die Vormundschaft zur Weiterführung und ernannte erneut den Amtsvormund als Vormund. Gegen diesen Entscheid erhob der Bevormundete am 2. Mai 1996 Beschwerde und verlangte sinngemäss die Einsetzung von zwei seiner Schwestern als Vormundinnen. In einem der Beschwerde beigelegten Schreiben hielten diese fest, sie möchten das Amt des Vormundes übernehmen. Die Mutter des Bevormundeten unterstützte dieses Anliegen ebenfalls.

2. Die Wahl des Vormunds kann jedermann, der ein Interesse hat, binnen zehn Tagen, nachdem er davon Kenntnis erhalten hat, als gesetzwidrig anfechten (Art. 388 Abs. 2 ZGB). Gemäss Art. 380 ZGB hat die Behörde einem tauglichen nahen Verwandten des zu Bevormundenden, unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der Nähe des Wohnsitzes, bei der Wahl den Vorzug zu geben, sofern keine wichtigen Gründe dagegen sprechen. Nachdem diese Bestimmung auch bei einer Wiederwahl eines Vormunds nicht ausser acht gelassen werden kann (vgl. Schnyder/Murer, Berner Kommentar, N 46 zu Art. 380/381 ZGB), sind die beiden Schwestern sowie die Mutter grundsätzlich ebenfalls zur Beschwerde befugt.

3. Der Bevormundete beantragt die Aufhebung des Entscheids betreffend Ernennung des Vormunds. Er macht geltend, sein Vorschlagsrecht sei missachtet worden. Die beiden Schwestern des Bevormundeten widersetzen sich ebenfalls der Wahl des Amtsvormunds und machen sinngemäss geltend, das Vorschlagsrecht ihres Bruders sowie ihr Vorrecht als Verwandte sei missachtet worden. Die Mutter beantragt ebenfalls die Wahl eines neuen Vormunds.

4. a. Als Vormund hat die Vormundschaftsbehörde eine mündige Person zu wählen, die zu diesem Amte geeignet erscheint (Art. 379 ZGB). Sprechen keine wichtigen Gründe dagegen, hat die Behörde einem tauglichen Verwandten des zu Bevormundenden bei der Wahl den Vorzug zu geben (Art. 380 ZGB). Hat die zu bevormundende Person deren Mutter jemanden als Vormund ihres Vertrauens bezeichnet, so soll dieser Bezeichnung Folge geleistet werden, wenn nicht wichtige Gründe dagegen sprechen (vgl. Art. 381 ZGB).

b. Sowohl Art. 380 wie Art. 381 ZGB weisen die Vormundschaftsbehörde an, eine bestimmte Person zum Vormund zu ernennen, wenn nicht wichtige Gründe gegen sie sprechen. Das Vorliegen wichtiger Gründe gegen die Ernennung ist gemäss beiden Bestimmungen zu prüfen. Einen eigentlichen Anspruch auf Wahl zum Vormund gewährt jedoch weder Art. 380 noch Art. 381 ZGB. Entscheidend fällt in beiden Fällen das Interesse des Bevormundeten an einem Vormund, der ihm die nötige Hilfe zuteil werden lässt, ins Gewicht (vgl. LGVE 1981 III Nr. 10). Ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 380 und 381 ZGB liegt vor, wenn durch die Bestellung des Verwandten als Vormund das Mündelinteresse nicht genügend berücksichtigt wird. Dies ist der Fall, wenn die Wahl des an sich geeigneten Verwandten für das Amt des Vormundes im Verhältnis zur Wahl anderer Anwärter einen in dessen Person in den Umständen liegenden erkennbaren Nachteil beinhaltet; anders gesagt: wenn der beigezogene andere Anwärter nachweisbar besser geeignet ist, was sich mit einer gewissen Eindeutigkeit ergeben muss (Schnyder/Murer, a.a.O., N 20 zu Art. 380/381 ZGB).

c. Die Schwestern des Bevormundeten gehören einerseits zum Kreis der bevorzugten Personen gemäss Art. 380 ZGB und sind andererseits vom Bevormundeten und dessen Mutter im Sinne von Art. 381 ZGB vorgeschlagen worden. Im folgenden ist demnach zu prüfen, ob ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 380 und 381 ZGB gegen ihre Wahl als Vormundinnen spricht ob die Vorinstanz sie für dieses Amt hätte ernennen müssen.

5. a. Bereits aus dem Entscheid des Gemeinderats vom 4. April 1990 betreffend Umwandlung der Beistandschaft in eine Vormundschaft ergibt sich, dass das Hauptproblem des Bevormundeten darin besteht, abhängig zu sein: von Alkohol, seinen Angehörigen und weiteren Bezugspersonen. Im Vormundschaftsbericht zur Zeit vom 1. September 1993 bis 31. August 1995, der nicht im Hinblick auf ein Verfahren erstellt worden ist, wird festgehalten, die relativ engen Beziehungen zu seiner Mutter und zu zwei Schwestern hätten nicht nur positive Auswirkungen auf ihn. In vielen Belangen würden sie ihm immer wieder dreinreden. Alle versuchten, mit mehr weniger Druck, seine Lebensführung zu bestimmen. Die eine Schwester versuche auch bis in Einzelheiten ihren Bruder an der kurzen Leine zu führen. Weiter wird im Bericht ausgeführt, dass der Bevormundete zweimal mit Hilfe der einen Schwester eine Wohnung gemietet habe, die seinen finanziellen Möglichkeiten nicht entsprochen habe. Der Abrechnung des Vormunds ist denn auch zu entnehmen, dass die Miet-, Strom-, Nebenund diversen anderen Wohnkosten für die beiden Berichtsjahre monatlich durchschnittlich Fr. 1479.50 betragen haben.

b. Der Amtsvormund führt in seiner Stellungnahme vom März 1996 zuhanden des Gemeinderats weiter aus, die Mutter des Beschwerdeführers und seine beiden Schwestern würden sich in erheblichem Ausmass in die Belange des Bevormundeten einmischen. Eine Mitarbeiterin des Amtsvormunds habe sich von ihrer Seite öfters unqualifizierte Einmischungen in ihre Arbeit gefallen lassen müssen. Alkoholexzesse des Beschwerdeführers kämen bis heute regelmässig vor, würden dem Amtsvormund aber vom Beschwerdeführer selber und vor allem von seinen Angehörigen meistens verschwiegen und verheimlicht. Auch beim Problem des Alkoholismus sei die Einmischung der Mutter und der Schwestern eher kontraproduktiv. Er habe beträchtliche Zweifel, wie gut die Antabus-Betreuung durch die Schwestern laufe.

c. Eine Privatperson, die während zweier Jahre als Vormund des Bevormundeten amtete, führte ebenfalls aus, es handle sich bei dieser Vormundschaft um eine sehr schwierige. Die ganze Familie habe ständig dreingeredet und alles besser gewusst. Die Schwester des Bevormundeten, die vorher als Beiständin eingesetzt gewesen sei, sei mit ihrem Bruder nicht zurecht gekommen und habe deshalb vorgeschlagen, eine aussenstehende Person als Vormund einzusetzen.

d. Wie aus den Beweiserhebungen klar hervorgeht, können die Beschwerdeführerinnen vorliegend nicht als taugliche und geeignete Personen für das Amt des Vormundes betrachtet werden. Die verschiedenen aktenkundigen Ausführungen sind glaubhaft. In Anbetracht der sehr problembeladenen Verhältnisse scheint es dem Mündelwohl zu dienen, eine erfahrene und unabhängige Person mit dem Amt des Vormunds zu betrauen. Da - wie dargelegt - wichtige Gründe gegen die Wahl der Schwestern als Vormundinnen sprechen, hat sie die Vorinstanz zu Recht nicht mit diesem Amt betraut. Die Beschwerden sind in diesem Punkt abzuweisen.

6. Für die Wahl eines unabhängigen Vormunds spricht auch die Tendenz der heutigen Fürsorge, wonach die Bestellung eines Vormunds nach Art. 380 ZGB eher etwas zurückzudrängen ist. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Vormundschaftsführung durch eine Drittperson vielfach besser gewährleistet ist und dem Wohle des Mündels besser gerecht wird. Das Amt des Vormunds bedeutet nämlich für die verwandtschaftlichen Bande meistens eine Belastung. Der Verwandte kann harmonischere Beziehungen zum Mündel pflegen, wenn er nicht Vormund ist. Was das Gesetz bieten will, nämlich Schutz und Hilfe, kann dem Mündel am besten mit einem neutralen Vormund zuteil werden (vgl. LGVE 1986 III Nr. 16, 1981 III Nr. 10, je mit Hinweisen). Damit ist es den Schwestern und der Mutter unbenommen, sich wie bis anhin um den Bevormundeten zu kümmern und damit dem eingesetzten Vormund sein Amt zu erleichtern und ihren Teil zur Fürsorge des Bevormundeten beizutragen.

Alle Beschwerdeführenden lehnen den Amtsvormund als Vormund ab, da er nicht geeignet dafür sei. Es ist somit zu prüfen, ob die Wahl des Vormunds gesetzwidrig im Sinne von Art. 388 Abs. 2 ZGB ist.

Gemäss Art. 379 Abs. 1 ZGB hat die Vormundschaftsbehörde eine Person als Vormund zu wählen, die zu diesem Amte geeignet erscheint. Ein Ausschliessungsgrund wird vorliegend nicht behauptet und ist auch nicht gegeben (Art. 384 ZGB). Aus den Akten und der Beschwerdeschrift ergibt sich zwar, dass der Bevormundete Mühe mit seinem Vormund hat. Dies beweist allerdings noch nicht, dass es nicht in seinem Interesse ist, ihn als Vormund zu haben. Den Akten ist gegenteils zu entnehmen, dass seine Schwester das Amt der Beiständin wegen seines Verhaltens aufgab und auch der vorherige Vormund völlig entnervt das Amt nach zwei Jahren zur Verfügung stellte. Letzterer führte insbesondere aus, dass es zu Beginn der Massnahme gut gegangen, nachher aber immer mühsamer gewesen sei. Der Bevormundete habe später bei ihm über den neuen Vormund geklagt, dieser gebe ihm nicht genügend Geld. Er sei indes der Überzeugung, dass der Vormund sein Amt vorschriftsgemäss führe, könne man doch nicht mehr Geld geben, als man habe. Dies erhellt, dass der Bevormundete grundsätzlich Mühe mit der angeordneten Vormundschaft hat, sich nicht kooperativ verhielt und wohl mit keinem Vormund auf lange Sicht zufrieden ist. Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Amtsvormund nicht geeignet wäre, vorliegend als Vormund eingesetzt zu werden. Er erscheint gegenteils sowohl als Person wie auch aufgrund seiner fachlichen Voraussetzungen als durchaus geeignet für dieses Amt. Die Beschwerde ist diesbezüglich ebenfalls abzuweisen.

Quelle: https://gerichte.lu.ch/recht_sprechung/publikationen
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.